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Warum scheitern Expatriate-Einsätze? 9 Herausforderungen und wie Unternehmen sie meistern können

In einer zunehmend globalisierten Wirtschaft sind internationale Einsätze von Führungskräften ein essenzielles Instrument, um die Präsenz multinationaler Unternehmen in neuen Märkten auszubauen. Doch trotz der vielversprechenden Chancen, die diese Einsätze bieten, ist ihre Erfolgsquote oft geringer als erwartet. Die Sonderausgabe der Economist Intelligence Unit „Up or Out: Next Moves for the Modern Expatriate“ aus dem Jahr 2010 beleuchtet die zentralen Herausforderungen, die zum Scheitern von Expatriate-Einsätzen führen können. In diesem Blogpost fasse ich die neun wichtigsten Gründe zusammen und illustriere sie mit Beispielen aus der Praxis.

Die Analyse der Economist Intelligence Unit stammt aus 2010 - seither hat sich das globale wirtschaftliche Umfeld verändert, vor allem Covid-19 hat erhebliche Spuren hinterlassen, die auch die Welt der Expatriates aufmischt. Die Studie ist vielen Bereichen dennoch wertvoll und noch gültig. Wo sich seither wesentliche Änderungen ergeben haben, ergänze ich das.

Gründe, warum Entsendungen scheitern

1. Wirtschaftliche Unsicherheiten bremsen internationale Einsätze

Die globale Finanzkrise der späten 2000er Jahre hat die Entsendungspläne vieler Unternehmen stark beeinträchtigt. Obwohl aufstrebende Märkte als künftige Wachstumstreiber identifiziert wurden, zwangen kurzfristige finanzielle Engpässe viele Unternehmen dazu, die Entsendung von teuren Experten zu verschieben. Dies führte zu einem Spannungsfeld zwischen der Notwendigkeit, global zu expandieren, und den unmittelbaren wirtschaftlichen Zwängen. So hat nur ein Bruchteil der Unternehmen, die eine Erhöhung ihrer Expatriate-Belegschaft planten, dies in den Jahren nach der Rezession tatsächlich umgesetzt.

2. Der asiatische Markt dominiert die Entsendungen

Asien, insbesondere China und Indien, ist zur Hauptdestination für Expatriates geworden. Diese Länder bieten enormes Wachstumspotenzial, was sie besonders attraktiv für multinationale Unternehmen macht. Dennoch stellt die Komplexität der Geschäftslandschaft in Asien eine erhebliche Herausforderung dar. Neben den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erfordert der asiatische Markt ein tiefes Verständnis der lokalen Kultur und Geschäftspraktiken. Unternehmen, die ihre Expatriates ohne ausreichende Vorbereitung entsenden, riskieren teure Fehlschläge.

3. Das traditionelle Expatriate-Modell bleibt stark, aber verändert sich

Das klassische Modell, bei dem Führungskräfte aus Nordamerika und Westeuropa in aufstrebende Märkte entsandt werden, bleibt trotz Veränderungen in der globalen Wirtschaft stark. Viele dieser Expatriates übernehmen Führungsrollen, um neue Märkte zu erschließen und lokale Mitarbeiter auszubilden. Allerdings beobachten Unternehmen zunehmend, dass auch jüngere und weniger erfahrene Führungskräfte ins Ausland entsandt werden, oft mit weniger finanziellen Anreizen. Diese Veränderung birgt das Risiko, dass fehlende Erfahrung und unzureichende Ressourcen den Erfolg der Entsendung gefährden.

4. Weniger Expatriate-Pakete für junge Führungskräfte

Das vollständige Expatriate-Paket, bestehend aus hohen Gehältern und umfassenden Zusatzleistungen, wird zunehmend seltener angeboten. Besonders jüngere und weniger erfahrene Expatriates erhalten oft nur lokale Gehälter mit geringen Zulagen. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass Unternehmen zwar Kosten sparen, aber gleichzeitig das Risiko erhöhen, dass qualifizierte Kandidaten ausbleiben oder Entsendungen aufgrund mangelnder Unterstützung scheitern.

5. Karriereboost durch Einsätze in wichtigen Märkten

Eine Entsendung in wichtige aufstrebende Märkte wird von den meisten Expatriates als Sprungbrett für die Karriere gesehen. So glauben 80 % der Befragten, dass ein Einsatz in Märkten wie China oder Indien ihre berufliche Laufbahn positiv beeinflusst. Doch diese hohen Erwartungen können zu Enttäuschungen führen, wenn die erhofften Karriereschritte nach der Rückkehr in die Heimat ausbleiben oder die Anforderungen des Einsatzes nicht erfüllt werden.

6. Kulturelle Barrieren als größte Herausforderung

Kulturelle Unterschiede und die mangelnde Fähigkeit, diese zu überwinden, gehören zu den häufigsten Gründen für das Scheitern von Expatriate-Einsätzen. Viele Führungskräfte unterschätzen die Bedeutung kultureller Sensibilität und geraten dadurch in Konflikte mit lokalen Mitarbeitern oder Geschäftspartnern. Diese Konflikte können die Effizienz und Effektivität der Entsendung erheblich beeinträchtigen.

7. Familiäre Herausforderungen und die Bedeutung der Partnerintegration

Der Erfolg einer Entsendung hängt oft stark von der Zufriedenheit der mitreisenden Familie ab. Insbesondere der Ehepartner kann durch den plötzlichen Verlust des sozialen Umfelds oder der beruflichen Tätigkeit stark belastet werden. Diese familiären Spannungen führen häufig dazu, dass Expatriates vorzeitig nach Hause zurückkehren, was nicht nur den Einsatz, sondern auch die Investition des Unternehmens gefährdet.

8. Spannungen zwischen Unternehmenszentrale und lokaler Führung

Ein häufiger Grund für das Scheitern von Entsendungen sind die Spannungen zwischen der Unternehmenszentrale und dem lokalen Management. Viele Expatriates berichten von mangelndem Verständnis der Zentrale für die lokalen Marktbedingungen und unrealistischen Umsatzvorgaben. Diese Differenzen können die Motivation der Expatriates untergraben und zu ineffizienten Arbeitsabläufen führen.

9. Unverminderte Nachfrage nach Auslandsentsendungen

Trotz der vielfältigen Herausforderungen bleibt die Nachfrage nach Auslandseinsätzen hoch. Besonders Führungskräfte, die noch keine Auslandserfahrung haben, sehen in einer Entsendung eine wertvolle Gelegenheit zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung. Doch gerade diese Gruppe unterschätzt oft die Herausforderungen und Belastungen, die mit einem solchen Einsatz verbunden sind, was die Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns erhöht.

Beispiele aus der Praxis: Erfolgreiche und gescheiterte Expatriate-Einsätze

Ein bekanntes Beispiel für einen erfolgreichen Expatriate-Einsatz ist der Fall von Procter & Gamble in China. Das Unternehmen entsandte erfahrene Führungskräfte nach China, die nicht nur tiefgreifende Schulungen in kultureller Sensibilität durchliefen, sondern auch eng mit lokalen Teams zusammenarbeiteten, um die Produkte an die spezifischen Bedürfnisse des Marktes anzupassen. Diese Strategie führte dazu, dass Procter & Gamble eine starke Marktposition in China aufbauen konnte.

Auf der anderen Seite gibt es Beispiele wie das berühmt gewordene Scheitern der amerikanischen Firma Home Depot in China. Im boomenden Wachstumsmarkt der Immobilien in China ist Home Depot trotz Übernahme eines etablierten Filialnetzes gescheitert - weil die kulturellen Unterschiede nicht ausreichend berücksichtigt wurden, chinesische Konsumenten haben die 1-zu-1 übertragene amerikanische DIY-Kultur nicht angenommen. Das Unternehmen versuchte, sein US-amerikanisches Geschäftsmodell direkt auf den chinesischen Markt zu übertragen, ohne die kulturellen Präferenzen der Verbraucher zu verstehen. Das Ergebnis war ein weitgehendes Scheitern der Expansion, und Home Depot musste sich letztlich aus dem Markt zurückziehen.

Sicher - hier ist eine ganze Geschäftsstrategie erfolgreich gewesen oder gescheitert. Expansion im Ausland beginnt aber immer mit Expatriates und sie sind letztlich die Menschen, die vor Ort agieren. Sie machen den Unterschied.

Fazit: Strategien zur Verbesserung der Erfolgsquote

Die Herausforderungen, die Expatriates begegnen, sind vielfältig und komplex. Unternehmen müssen daher proaktiv Strategien entwickeln, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Dies beginnt bei einer sorgfältigen Auswahl der Kandidaten und einer umfassenden Vorbereitung auf die kulturellen und geschäftlichen Besonderheiten des Ziellandes. Ebenso wichtig ist die Unterstützung der mitreisenden Familie und die Schaffung eines offenen Dialogs zwischen der Unternehmenszentrale und dem lokalen Management. Nur durch solche Maßnahmen können Unternehmen sicherstellen, dass ihre globalen Expansionsstrategien nicht an den gleichen Fallstricken scheitern, die bereits viele vor ihnen zu Fall gebracht haben.

Wie gut ist Ihre Strategie? Sprechen wir darüber.

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